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Special - Freiberufler-Geschichten - Kolumne : Frei, aber pleite?

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    Neulich in der Selbsthilfegruppe: „Hallo, mein Name ist Olaf und ich bin freiberuflicher Spielejournalist.“ Stille macht sich breit. Dann bricht es aus dem Ersten heraus. „Was? Freelancer … für Computer- und Videospiele? Das wäre mir zu riskant,“ schreit der jonglierende Clown und legt die Kettensägen zur Seite.

    (Anm. d. Red.: Auch wenn Olaf des Öfteren für Gameswelt freiberuflich auch Standardartikel, zum Beispiel Previews, schreibt, gilt für seine Kolumne das, worauf wir auch immer bei normalen Gastbeiträgen hinweisen: Die Meinung des Autors muss nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.)

    Schon zu Schulzeiten wusste ich: Ich werde PC-Player-Redakteur. So stand es damals im Abi-Jahrbuch. Dass mein damaliges Lieblingsmagazin allerdings Wochen nach meiner Bewerbung pleiteging, hätte für mich vielleicht ein Wink mit dem Zaunpfahl sein sollen, doch etwas Anständiges zu lernen.

    Aber ich will jetzt gar nicht jammern. Der Beruf gibt einem wirklich viel. Wäre ich damals Industrie- oder, Gott bewahre, Verlagskaufmann geworden, hätte ich sicher weit weniger skurrile Geschichten auf Lager als heute. Etwa von den langen Nächten auf der Games Convention, in denen man mit Kollegen in schäbigen Leipziger Diskotheken abhing und sich am nächsten Tag mit Kater, Kopfschmerzen und Restalkohol in die Präsentationen schleppte. Oder dieser eine Trip, als ich mir den Arm bei einem Panzerunfall in Polen brach. Man sollte eben niemals Engländer ein Presse-Event zu einem Weltkriegsshooter planen lassen. Die Narbe an meinem linken Handgelenk erzählt heute noch die Geschichte dieser unfassbar surrealen Erfahrung.

    Gleichzeitig aber ist sie auch Sinnbild für den vorherrschenden Berufsethos eines Freiberuflers: Nur wer schreibt, überlebt! Zwei Tage nach der Operation saß ich bereits wieder am Schreibtisch und versuchte, meine Spieleindrücke – die ich glücklicherweise noch vor der Panzerfahrt sammelte – in Worte zu fassen. Das ist zwar mit einem dicken Verband und zwei Schrauben im Arm nicht so leicht, war allerdings notwendig. Denn die Cover-Story musste ja schließlich in Druck gehen!

    Wir müssen sparen

    In den vergangenen zehn Jahren hat sich viel geändert. Das Angebot für uns Spieler und Interessierte ist so vielfältig wie niemals zuvor. Informationen über Videospiele werden einem an jeder Straßenecke angeboten. Die natürlich kostenfreie Berichterstattung im Internet hat massiv zugenommen. Ich will hier gar nicht die Diskussion über das Für und Wider des Spielejournalismus aufgreifen und über die mangelnde Entwicklung der Spielekritik reden. Das ist ein Kapitel für sich und wäre garantiert auch die eine oder andere Kolumne wert.

    Ich will auf die stetig sinkenden Auflagenzahlen der Magazine hinaus. Ich habe seit meinem Job-Antritt im Jahr 2000 unzählige Magazine sterben sehen: von dem „kleinen“ CHEATS & MORE – zu Hochzeiten mit einer verkauften Auflage von gut 100.000 Heften – bis hin zur Bravo Screenfun und zuletzt PS3M und 360 Live. Ich mache mir nichts vor, in den kommenden Jahren wird noch die Magazinapokalypse über uns hereinbrechen. Etliche Hefte werden den Bach runtergehen, auch wenn aktuell noch alle die Augen davor verschließen. Im Gegenzug steigen allerdings die Zahlen der Online-Magazine. Aber hohe Besucherzahlen bedeuten längst nicht höhere Honorare. Ganz im Gegenteil: Das Lohn-Dumping hat in den vergangenen Jahren zugenommen, gerade im Online-Bereich.

    Die wenigsten Formate – ganz egal, ob Print oder online - vergeben heutzutage noch Verträge an ihre freien Autoren. Alles läuft auf Basis eines Handschlags, eines Telefonats oder einer E-Mail. Das ist leicht, unkompliziert und erzeugt keinerlei Verbindlichkeiten. Natürlich pflege auch ich meine Kontakte und arbeite gerne mit lieb gewonnenen, festen Kunden aus der Branche zusammen. Trotzdem gibt es immer wieder schwarze Schafe, die den Wert von Arbeit nicht zu schätzen wissen. Floskeln wie „Wir geben nichts mehr raus. Wir setzen jetzt auf Praktikanten“ oder „Wir haben da einen, der macht das für lau“ sind das Geschwür der Medienbranche und der Todfeind jedes Freiberuflers.

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